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Geraubter Fortschritt – ausgeschlossene Frauen

Stell dir eine Welt vor, in der Frauen von Beginn an die gleichen Chancen gehabt hätten wie Männer. Eine Welt, in der unsere Vorfahren als Ärzt:innen, Wissenschaftler:innen, Künstler:innen und politische Führer:innen die Gesellschaft mitgestaltet hätten. Wo wären wir heute? Welche Entdeckungen wären früher gemacht worden und welche Krisen hätten vermieden werden können? Diese Gedanken lassen mich überlegen, welchen Preis die Menschheit durch den jahrhundertelangen Ausschluss der Frauen aus wichtigen Bereichen unserer Gesellschaft bezahlt hat. Unsere Vorfahr:innen und Ahn:innen wurden systematisch aus Berufen, Bildung und Entscheidungspositionen verdrängt. Man beraubte uns nicht nur der Chancen zur Selbstverwirklichung, sondern auch der Gesellschaft das volle Potenzial. Wir werfen einen Blick zurück, um zu verstehen, wie viel verloren ging – und wie weit wir noch gehen müssen.

1. Heiler:innen und die „Hexenjagd“: Der Verlust medizinischen Wissens

In alten Gesellschaften sorgten Frauen als Heiler:innen und Kräuterkundige für die Gesundheit ihrer Gemeinschaften. Sie wussten, wie man erfolgreich Krankheiten mit Pflanzen und natürlichen Mitteln behandelt und begleiteten Geburten als verlässliche Helfer:innen. Doch mit dem Aufstieg der modernen Medizin im 17. Jahrhundert rissen männliche Ärzte die Kontrolle über diesen Bereich an sich. Frauen, die weiterhin Heilkunst praktizierten, wurden als „Hexen“ diffamiert, verfolgt und verbrannt. So verloren nicht nur sie ihre Berufe, sondern die Gesellschaft verlor wertvolles Wissen, das sie heute schmerzlich vermisst.

Wie anders könnte die heutige Medizin aussehen, wenn dieses Wissen nicht im Feuer der Hexenverfolgungen verbrannt wäre? Frauen hätten die Medizin mit ihren ganzheitlichen Ansätzen bereichern können, doch sie wurden stattdessen von männlichen Machtstrukturen verdrängt.

2. Hebammen und die Kommerzialisierung der Geburtshilfe

Jahrtausendelang begleiteten ausschließlich Hebammen Frauen bei Geburten. Sie verstanden den natürlichen Prozess der Geburt und unterstützten Frauen einfühlsam. Doch ab dem 18. Jahrhundert begannen männliche Ärzte, die Geburtshilfe zu professionalisieren und sie unter ihre Kontrolle zu bringen. Die Einführung von medizinischen Instrumenten und Techniken verdrängte Hebammen – und mit ihnen das uralte Wissen über natürliche Geburtsmethoden.

Wir verloren auch die Kontrolle über ihre eigenen Geburtsprozesse. Was früher ein von Frauen dominiertes Feld war, wurde zu einer „medizinischen Prozedur“, bei der unsere Bedürfnisse oft übergangen werden.

3. Ausschluss von Bildung und Wissenschaft

Über Jahrhunderte hinweg verschlossen Universitäten und Bildungseinrichtungen ihre Türen für uns. Erst im 19. Jahrhundert durften sie in westlichen Ländern allmählich studieren. Doch bis dahin hatten sie bereits wertvolle Jahrhunderte an wissenschaftlicher Forschung verloren. Wissenschaftler:innen wie Rosalind Franklin leisteten bahnbrechende Arbeit, etwa bei der Entdeckung der DNA-Struktur, doch männliche Kollegen stahlen ihnen oft den Ruhm.

Was hätte die Welt noch früher entdecken können, wenn wir die gleichen Möglichkeiten wie Männer gehabt hätten? Viele Entdeckungen wurden verzögert, weil Frauen nicht forschen durften. Ein Verlust, den wir uns kaum vorstellen können.

4. Fehlende Frauen in Handwerk und Zünfte

Im Mittelalter arbeiteten Frauen in vielen Handwerken, sie backten, webten, brauten und stellten Kleidung her. Doch mit dem Aufstieg der Zünfte schlossen Männer sie systematisch aus. Nur männliche Meister durften Lehrlinge ausbilden und in bestimmten Berufen arbeiten. Von Frauen dominierte Berufe, wurde von Männern übernommen, sobald sie wirtschaftlich profitabel wurden. Was sie hinterließen wurde zerstört. Die Folgen dieser Abwertung spüren wir bis heute: „Frauenberufe“ sind auch heute noch  schlechter bezahlt.

5. Politische Teilhabe

Jahrhundertelang blieben unsere Ahn:innen von politischen Ämtern ausgeschlossen. Während Männer Gesetze schrieben und Entscheidungen trafen, durften Frauen nicht einmal ihre Stimme abgeben. In vielen Ländern erhielten sie erst im 20. Jahrhundert das Wahlrecht.

Wir dürfen in Deutschland seit dem 12. November 1918 wählen. Auslöser fanden die politischen Veränderungen, mit dem Ende des Ersten Weltkriegs, dem Zusammenbruch des Deutschen Kaiserreichs und der jahrzehntelang vorausgegangenen Kämpfe von Frauenrechtlerinnen und Aktivistinnen wie Clara ZetkinMarie Juchacz und Louise Otto-Peters

Dennoch sind wir in politischen Führungspositionen unterrepräsentiert: Weltweit machen sie nur etwa 26% der Parlamentsmitglieder:innen aus. Ohne die Stimmen und Perspektiven von Frauen werden die Bedürfnisse der Hälfte der Bevölkerung ignoriert. Heute kämpfen unsere Schwestern weltweit darum, diese Lücke zu schließen und die politische Landschaft mitzugestalten.

6. Die gläserne Decke in der Wirtschaft

Auch in der Wirtschaft bleibt der Kampf um Gleichberechtigung hartnäckig. Wir verdienen im Durchschnitt immer noch etwa 20% weniger als Männer für vergleichbare Arbeit. In den Chefetagen großer Unternehmen sieht es noch düsterer aus: Nur etwa 8% der CEOs in den Fortune-500-Unternehmen sind Frauen. Diese Ungleichheiten wurzeln in Jahrhunderten der Benachteiligung und dem systematischen Ausschluss aus wirtschaftlichen Machtpositionen.

Wir wurden über Jahrhunderte hinweg systematisch aus zentralen Bereichen der Gesellschaft ausgeschlossen. Dieser Ausschluss kostete die Menschheit wertvolle Erkenntnisse und Fortschritte. Doch trotz der historischen Benachteiligung haben wir in den letzten Jahrzehnten beeindruckende Erfolge erzielt. Wir haben in kürzester Zeit das nachgeholt, was unseren Ahn:innen Jahrhunderte lang verwehrt wurde. Dennoch sind die Folgen des Ausschlusses immer noch spürbar.

Der Kampf um Gleichberechtigung ist noch lange nicht vorbei, doch die Fortschritte der letzten Jahrzehnte geben uns Hoffnung. Es ist an der Zeit, die verpassten Chancen zu erkennen und das volle Potenzial aller Menschen zu nutzen.

Denn nur in einer Welt, in der wir alle gleichberechtigt teilhaben können, wird unser Fortschritt wirklich nachhaltig und gerecht sein. Der Weg dorthin mag noch lang sein, aber jeder Schritt bringt uns einer Zukunft näher, die für alle gerechter und reicher ist.

Lies hier mehr: Der Report der Magd

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