„Mama bitte kann ich nach Hause kommen 😭“ ,diese Nachricht wird mir noch lange in Erinnerung und Schulter bleiben und sie bringt uns zu diesem Artikel und den Mädchen die es betrifft.
Wenn der Schutzraum Schule versagt
Die Schule soll ein Ort sein, an dem Kinder sicher und unbeschwert lernen können. Wenn uns dieser Schutzraum jedoch nicht das bietet, was er verspricht und das Vertrauen in die Schule als sicherer Ort erschüttert ist?
„Wer sich neckt – der Liebt sich“?
Es begann mit abfälligen Bemerkungen und herablassenden Kommentaren, die sich zunächst wie harmlose „Späße“ anhörten. Doch aus Worten wurden bald Taten: Ein Junge aus der Nachbarklasse überschritt wiederholt die Grenzen meiner Tochter. Was viele als „normales Jungensverhalten“ abtun, war in Wirklichkeit der Beginn eines Musters, das systematisch Machtverhältnisse festigt. Viele schauten weg oder spielten die Vorfälle herunter – ein Verhalten, das ich durch zahlreiche Gespräche mit der Schule nicht ändern konnte.
Nach Wochen der Beleidigungen schüttete der Junge meiner Tochter Saft über den Kopf, zerrte sie an den Haaren und schlug sie mehrmals in Gesicht und Bauch. Als die körperlichen Übergriffe eskalierten, erstattete ich Anzeige bei der Polizei – bisher dreimal. Die Eltern des Jungen blieben weiterhin untätig. Die Lehrerin blieb ebenso hilflos, engagierte sich dennoch wie sie konnte. Schließlich kommen wir zu diesem Tag:

Der Junge hatte meiner Tochter vor versammelter Schule die Hose herunterzog. Diese strukturelle Untätigkeit lässt mich hilflos zurück.
Das Ausmaß dieser Übergriffe geht weit über die physischen und emotionalen Verletzungen hinaus. Solche Erlebnisse haben einen direkten Einfluss auf die schulische Leistung und die persönliche Entwicklung betroffener Mädchen. Meine Tochter, die eigentlich begeistert zur Schule geht, zieht sich nun zunehmend zurück. Ihre Konzentration leidet, ihre Noten verschlechtern sich, und ihre einstige Freude am Lernen schwindet von Tag zu Tag mehr.
Was diese Strukturen bewirken:
Ständige Angst vor weiteren Übergriffen lenkt den Fokus meiner Tochter von ihrem Unterricht ab. Statt sich auf das Lernen zu konzentrieren, ist sie gezwungen, sich mit Ängsten und Unsicherheiten auseinanderzusetzen. Die fortwährende Erfahrung, dass weder Lehrer, Schule noch die Polizei sie schützen können, schwächt das Selbstvertrauen. Mädchen wie meine Tochter lernen, dass ihre Stimmen ungehört bleiben, was sich auch auf ihre Bereitschaft auswirkt, sich aktiv am Unterricht zu beteiligen oder ihre Meinungen zu äußern.
Durch solche Vorfälle werden unsere Kinder in der Entwicklung gebremst. Sie verlieren die Chance, ihr volles Potenzial auszuschöpfen, weil sie sich ständig mit Situationen auseinandersetzen muss, die ihre Würde und Sicherheit infrage stellen.
Strukturelle Ursache – Patriarchat?
Die Ignoranz und das Wegsehen in unserer Gesellschaft sind keine Einzelfälle, sondern Teil eines größeren Problems. Patriarchale Strukturen durchziehen unsere Institutionen, und Schulen bilden dabei keine Ausnahme. Ich stelle mir die Frage, warum wir Grenzüberschreitungen oft bagatellisieren oder ignorieren?
1. Geschlechterrollen und Sozialisation:
- Bereits in der Kindheit werden wir in starre Rollenbilder gedrängt. Jungen lernen, dass Dominanz und Durchsetzungsvermögen positive Eigenschaften sind, während Mädchen Gehorsam und Anpassung nahegelegt wird.
- Lehrer und Schulpersonal, die selbst in diesen Rollenbildern aufgewachsen sind, neigen dazu, Übergriffe als „harmlos“ oder „normal“ zu verharmlosen.
2. Täter-Opfer-Umkehr:
- Wenn wir über Übergriffe berichten, wird unsere Wahrnehmung oft infrage gestellt. „Vielleicht hat sie überreagiert?“ oder „Es war sicher nicht so schlimm“ – solche Sätze untergraben das Vertrauen der Betroffenen in ihre eigenen Erfahrungen.
- Indem wir unsere Aussagen relativieren, werden, wird die Schuld vom Täter zum Opfer verschoben.
3. Fehlende Konsequenzen und mangelnde Unterstützung:
- Schulen fehlen oft die Möglichkeit klare Sanktionen, zu stellen. Die Folgen? Mädchen lernen, dass ihre Grenzen keine Bedeutung haben, während Jungen davon ausgehen, dass sie ungestraft bleiben.
- Diese Passivität vermittelt eine gefährliche Botschaft: Grenzüberschreitungen haben keine Konsequenzen, solange der Täter männlich und das Opfer weiblich ist.
Was bedeutet das für die betroffenen Kinder?
Für Mädchen wie meine Tochter bedeutet dieses System der Untätigkeit eine tiefgreifende Verunsicherung. Die Botschaft ist klar: Ihre Grenzen werden nicht respektiert, ihre Erlebnisse werden nicht ernst genommen. Diese Erfahrungen nagen nicht nur am Selbstwertgefühl, sondern beeinträchtigen auch direkt ihre schulischen Leistungen und ihre Chancen, ihr Potenzial voll auszuschöpfen.
Für die Jungen hingegen stellt das Verhalten der Schule eine stillschweigende Duldung dar. Sie lernen, dass Übergriffe geduldet oder gar entschuldigt werden können. Eine gefährliche Lektion, die sie in ihrem späteren Leben begleiten wird. Es geht nicht nur um das Verhalten eines einzelnen Jungen, sondern um die Strukturen, die dieses Verhalten ermöglichen und verstärken
Warum Schulen oft versagen
Warum fällt es Schulen schwer, auf Vorfälle angemessen zu reagieren? Häufig sind es strukturelle Hürden, die dazu führen, dass angemessenes Eingreifen unterbleibt. Doch gerade diese Passivität kann langfristige Folgen für das Vertrauen der Kinder in die Institutionen haben.
1. Verharmlosung von Grenzüberschreitungen:
- Oft werden Vorfälle als „normal“ abgetan, was dazu führt, dass betroffene Kinder sich missverstanden und allein gelassen fühlen.
- Anstatt klare Grenzen zu setzen, entschuldigen wir unangemessenes Verhalten.
2. Fehlende Konsequenzen und Unklarheit
- Schulen haben häufig keine klaren Protokolle, wie mit Beschwerden umzugehen ist. Das Ergebnis? Eltern und Kinder stoßen auf eine Mauer des Schweigens.
- Die Angst vor Imageschäden führt dazu, dass Probleme unter den Teppich gekehrt werden, anstatt sich ihnen konsequent zu stellen.
Was wir tun können: Wege zur Veränderung
Um Kinder zu schützen und ihnen die bestmögliche Entwicklung zu ermöglichen, müssen wir als Gesellschaft aktiv werden. In unseren Händen liegt die Verantwortung, sicherzustellen, dass Schulen ihrer Schutzfunktion gerecht werden können.
1. Präventive Maßnahmen und Aufklärung:
- Bereits in der Grundschule sollten Programme eingeführt werden, die Kinder über Respekt, Empathie und die Bedeutung persönlicher Grenzen aufklären. Hier geht es nicht nur darum, problematisches Verhalten zu verhindern, sondern auch darum, ein positives Miteinander zu fördern.
- Lehrkräfte müssen regelmäßige Schulungen erhalten, um Grenzüberschreitungen frühzeitig zu erkennen und angemessen darauf zu reagieren. Sensibilisierung und klare Handlungsanweisungen sind hier entscheidend.
2. Klare Richtlinien und verbindliche Maßnahmen:
- Schulen sollten klare Handlungsprotokolle entwickeln, wie bei Vorfällen von Grenzüberschreitungen vorzugehen ist. Vorfälle müssen konsequent dokumentiert und bearbeitet werden.
- Eltern sollen unmittelbar informiert werden, wenn es zu Vorfällen kommt – und aktiv in die Lösungsfindung einbezogen werden. Transparenz und Zusammenarbeit sind hier der Schlüssel.
3. Unterstützung für betroffene Kinder und Familien:
- Es sollte Anlaufstellen geben, die Kindern und Eltern in solchen Fällen Unterstützung bieten -sowohl innerhalb der Schule als auch durch externe Beratungsstellen.
- Unsere Kinder brauchen einen geschützten Raum, in dem sie ihre Erfahrungen teilen können. Ohne ihnen das Gefühl zu geben, dass sie übertreiben oder nicht ernst genommen werden.
Ein Aufruf zum Handeln
Die Erfahrungen meiner Tochter zeigen, dass wir als Gesellschaft noch viel tun müssen, um unsere Kinder zu schützen und ihnen eine faire Chance auf eine unbeschwerte Schulzeit zu geben. Wir müssen uns dafür einsetzen, dass Schulen Orte werden, an denen Kinder sich sicher fühlen und ihr volles Potenzial entfalten können.
Es reicht nicht aus, sich mit dem Status quo zufrieden zu geben. Wir müssen aktiv werden. Indem wir uns für klare Regeln, Aufklärung und ein respektvolles Miteinander einsetzen, kann verhindert werden, dass unsere Kinder durch unzureichende Schutzmaßnahmen in ihrer Entwicklung hemmen. Meine Tochter behält Mut, unser Weg führt uns erneut zur Polizei und ich werde die Schulaufsichtsbehörde einschalten, der Rest ist Geschichte.
Denn die Schule sollte ein Ort der Chancen sein – nicht ein Ort, an dem Kinder lernen müssen, sich zu schützen. Lassen wir uns nicht mit Ausreden abspeisen, sondern setzen wir uns für die Rechte und das Wohl unserer Kinder ein.
[…] Lies mehr auf remittere.de […]
[…] vor wenigen Tagen berichtete ich in dem Artikel „Schulfach Patriarchat“ die bedrückende Erfahrung meiner Tochter, die in der Schule Opfer von Übergriffen durch einen […]