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Von Göttinnen zu Hexen – Geschichte der unterdrückten Schöpfung

Die weibliche Schöpfungskraft ist seit Jahrtausenden eine Quelle der Inspiration und Ehrfurcht. Doch ebenso lange ist sie Ziel systematischer Unterdrückung. Wie kam es dazu, dass wir, die einst als Göttinnen verehrt wurden, zu Hexen degradiert wurden? Und was sagt das über die patriarchalen Strukturen aus, die bis heute unsere Gesellschaft prägen?

Die Göttinnen der Frühzeit: Verehrung der weiblichen Schöpfungskraft

In den frühen Zivilisationen wurden wir und unsere Schöpfungskraft hoch verehrt. Göttinnen wie Isis (Ägypten), Inanna (Sumer) und Demeter (Griechenland) symbolisierten nicht nur Fruchtbarkeit, sondern auch Transformation und Wiedergeburt. Diese Göttinnen waren zentrale Figuren in den spirituellen Praktiken ihrer Zeit und standen für das Prinzip des Lebens, des Todes und der Erneuerung.

Die Rolle der Frauen als spirituelle Führerinnen

Wir fungierten in diesen Gesellschaften oft als Priesterinnen und Hüterinnen heiliger Rituale. Wir wurden als Mittlerinnen zwischen dem Göttlichen und der Erde angesehen. Die spirituelle Macht und unser Wissen um Heilkräuter, Gebete und Rituale machte Frauen zu zentralen Figuren des sozialen Lebens. Doch mit dem Aufkommen patriarchaler Strukturen wurden diese Rollen allmählich ausgehöhlt und verdrängt.

Die Entstehung patriarchaler Religionen: Verdrängung der Göttinnen

Der Aufstieg monotheistischer Religionen wie dem Judentum, Christentum und Islam brachte eine Verschiebung hin zu männlich dominierten Glaubenssystemen. Die Geschichten dieser Religionen betonten männliche Propheten und Helden, während Frauen auf passive, untergeordnete Rollen reduziert werden.

Die Jungfrau Maria: Kontrolle der weiblichen Schöpfungskraft

Ein deutliches Beispiel ist die Darstellung von Maria im Christentum. Als „jungfräuliche Mutter“ wird ihre Rolle auf die eines passiven Gefäßes reduziert, während Gott die „eigentliche“ Schöpfung vollzieht. Diese narrative Umdeutung der weiblichen Schöpfungskraft hatte tiefgreifende Auswirkungen auf die gesellschaftliche Wahrnehmung von Frauen.

Hexenverfolgung: Die Angst vor weiblicher Macht

Im Mittelalter und in der frühen Neuzeit wurden Frauen, die sich dem patriarchalen System widersetzten oder als „anders“ galten, als Hexen verfolgt. Die Kirche sieht in uns eine Bedrohung ihrer Macht. Frauen, die Kräutermedizin praktizierten, sich für ihre Gemeinschaft einsetzten oder einfach nur unabhängig lebten, werden zur Zielscheibe der Inquisition.

Hexenjagden: Ein Mittel zur sozialen Kontrolle

Die Hexenprozesse waren ein Mittel, um uns, die sich den normativen Geschlechterrollen widersetzen, zu disziplinieren. Indem Frauen als „Hexen“ dämonisiert werden, soll ihre spirituelle und gesellschaftliche Macht untergraben werden. Die Angst vor weiblicher Autonomie wird so zu einem Instrument patriarchaler Kontrolle.

Psychologische und gesellschaftliche Ursachen des Patriarchats

Warum fühlen sich Männer durch die weibliche Schöpfungskraft bedroht? Eine mögliche Erklärung liegt in der biologischen Unfähigkeit des Mannes, Leben zu erschaffen. Diese Unsicherheit könnte zu einem tief verwurzelten Bedürfnis führen, die weibliche Macht zu kontrollieren und zu unterdrücken.

Die Metapher des Bauern und der Natur

Die Landwirtschaft bietet eine anschauliche Metapher: Der Bauer sät den Samen, doch das eigentliche Wachstum liegt außerhalb seiner Kontrolle. Ebenso konnte der Mann Leben zeugen, doch die „Schöpfung“ des neuen Lebens lag allein in den Händen der Frau. Diese Abhängigkeit führt Männer möglicherweise zu der Notwendigkeit, die weibliche Macht symbolisch und real zu unterdrücken.

Sprache als Instrument der Unterdrückung und Befreiung

Sprache prägt unsere Wahrnehmung und unser Verständnis der Welt. Begriffe wie „Schöpfer“ oder „Herrscher“ wurden historisch mit männlichen Figuren verknüpft, während weibliche Begriffe auf passive Rollen reduziert wurden. Doch die Sprache birgt auch das Potenzial zur Befreiung.

Die sprachliche Bedeutung von „Schöpfung“ und „gebären“

Im Deutschen hat „gebären“ eine spezifische Bedeutung: Es steht für den physischen Akt der Geburt, aber auch für das Hervorbringen von Ideen oder kreativen Werken. Die Reduzierung dieses Begriffs auf die biologische Ebene war ein Versuch, die weibliche Schöpfungskraft auf den Körper zu begrenzen, während „Schöpfung“ auf eine männliche, geistige Ebene übertragen wurde.

Indem wir die Sprache für uns zurückerobern und Begriffe wie „Schöpfung“ und „Macht“ neu definieren, gewinnen wir die Kontrolle über unsere narrative und schöpferische Kraft zurück.

Moderne Wiederentdeckung der weiblichen Schöpfungskraft

Heute erleben wir eine Renaissance weiblicher Spiritualität. Bewegungen wie Feminismus, Frauenzirkel und die Doula-Kultur bringen Frauen wieder in Kontakt mit ihrer inneren Stärke und Intuition. Yoga und Meditation helfen dabei, die Verbindung zur eigenen schöpferischen Kraft zu stärken.

Frauen als moderne Göttinnen

Wir erkennen unsere Rolle als Schöpferinnen immer mehr an – sei es durch Geburt, kreative Projekte oder spirituelle Führung. Die Rückbesinnung auf weibliche Spiritualität und Gemeinschaftsrituale stärkt nicht nur das Selbstbewusstsein, sondern auch das kollektive Bewusstsein für die weibliche Kraft.

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Linkliste:

Britannica – Ancient Egyptian Religion: Encyclopedia Britannica

Stanford Encyclopedia of Philosophy: Feminist Philosophy of Religion: Stanford Encyclopedia of Philosophy

The Role of Women in Early Christianity: The Conversation

Feminism and Spirituality: Psychology Today

Doula-Kultur und Geburtsrituale: Evidence Based Birth

The Power of Language in Shaping Gender Roles: Harvard Business Review

The Etymology of ‘Creation’ and Its Impact on Gender Perception: Oxford English Dictionary

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