„We are the granddaughters of the witches you couldn’t burn.“
Ich höre es und lese es, immer wieder. Es taucht immer dann auf, wenn ich über Widerstand, Gemeinschaft und die Rückeroberung weiblicher Geschichten lese.
Und ich sehe darin eine tiefgreifende Wahrheit: Wir alle tragen Kraft in uns, unsere Erfahrungen zu verwandeln und unser Leben in die eigenen Hände zu nehmen. Selbst dann, wenn uns die Welt etwas anderes vermitteln will.
Trigger round the roses 🥀
Am 25.11.2024, vor drei Tagen, dem Internationalen Tag zur Sichtbarkeit von Gewalt gegen Frauen. Ich wollte Teilhaben und meine Stimme erheben um über meine eigenen Gewalterfahrungen sprechen. Ich musste abbrechen, weil mich das Vorhaben tiefer traf als ich gedacht hatte. Mein Körper und meine Seele reagieren jetzt noch, selbst unter Pharmaka mit einem Schmerz. Es zeigt mir, dass manche Wunden noch nicht heilen durften und ich erneut innehalten muss. Als sich der erste Schock legte, entschied ich mich außerdem, ab sofort erstmal nur noch weiblichen Content zu konsumieren. 32 Jahre und ich habe meine Grenzen erreicht – ich habe genug von Männern.
Ich möchte dich mit auf diese Reise nehmen und den Content, der mich auf auf der Suche nach so etwas wie Heilung begleitet, teilen.
Mein erster Film, den ich geschaut und gefühlt habe, ist „Witches“ von Elizabeth Sankey.
„Witches“ von Elizabeth Sankey
Elizabeth Sankeys Dokumentation „Witches“ nimmt uns mit auf eine Reise durch die kulturelle und symbolische Geschichte der Hexe. Die Regisseurin stellt dabei eine Frage in den Mittelpunkt: Warum ist die Hexe heute, in einer Zeit der Suche nach Selbstbestimmung und Heilung, wieder so präsent?
Hexen. Sie sind eine Symbolik, die uns über Jahrhunderte hinweg begleitet hat. Sie repräsentiert das Wissen und die Stärke, die aus der Verbundenheit mit uns selbst und der Welt entstehen. Aber auch die Angst vor Frauen, die frei denken, fühlen und handeln. Diese Angst hat in der Vergangenheit zu Ausgrenzung, Verfolgung und Dämonisierung geführt. Sowie sie es in so vielen verschiedenen Formen auch heute noch tut.

Sankey zeigt, wie die Popkultur die Hexe immer wieder neu interpretiert. Mal ist sie eine Außenseiterin, die in ihrer Gemeinschaft Halt findet, mal eine Rebellin, die sich gegen Ungerechtigkeit stellt. Sie ist nicht nur eine Figur der Vergangenheit, sondern ein Bild für das Hier und Jetzt. Eine Frau, die nicht nur Grenzen sprengt, sondern auch neue Gemeinschaften schafft – für sich selbst und für andere.
Postnatale Erkrankungen
In „Witches“ von Elizabeth Sankey schwingen neben den starken Symbolen der Hexe noch wichtigere Themen mit, die alle betreffen: postnatale psychische Erkrankungen wie Depressionen und Psychosen. Der Film greift diese Erfahrungen nicht nur auf, sie verbindet sie mit den uralten Vorstellungen von Frauen, die für Andersartigkeit und Verletzlichkeit ausgegrenzt werden.
Die postnatale Zeit wird immer noch romantisiert – als Phase puren Glücks, einer tiefen Bindung zwischen Mutter und Kind. Doch die Realität sieht für uns anders aus: Wir kämpfen mit überwältigender Einsamkeit, Schuldgefühlen, Angst oder der bedrückenden Leere, die eine postnatale Depression mit sich bringen kann.
Statistiken zeigen, wie weitreichend dieses Problem ist: 10 bis 20 Prozent entwickeln nach der Geburt eine postpartale Depression, und postpartale Psychosen, betreffen etwa 2 von 1.000 Gebärenden. Besonders schockierend ist, dass Suizid eine der häufigsten Todesursachen für uns Frauen im ersten Jahr nach der Geburt ist. Fehlgeburten oder Totgeburten erhöhen dieses Risiko extrem.
Der Film verweist auf diese schmerzhaften Realitäten und verdeutlicht, wie wenig Raum wir erhalten, um darüber zu sprechen. Elizabeth Sankey und ihr „Hexenzirkel“, wie sie sich in den letzten Minuten der Dokumentation nennen, schildern ihre eigene Erfahrung mit postpartalen Gefühlen, Depressionen und Psychosen. Sie sprechen offen über die Halluzinationen und paranoiden Gedanken, die sie überwältigten, und zeigen damit, wie dringend wir über diese Themen sprechen müssen.
Ich spüre, wie bedeutsam es ist, diese Geschichten weiter erzählen zu dürfen.
Die Verbindung von „Hexe“ und „Mutter“ bekommt darin eine besondere Tiefe: Beides sind Figuren, die gleichzeitig Bewunderung und Angst auslösen, die verehrt und verurteilt werden. Doch während die Hexe ihre Macht zurückgewinnt, müssen wir Mütter in der Realität allein um unsere geistige Gesundheit kämpfen.
Das Thema berührt mich sehr, weil ich es selbst kenne – dieses Gefühl, dass die eigene Kraft nach der Geburt nur noch ein Flüstern ist. Und wie leicht es doch wäre, darin zu versinken, wenn die richtigen Stimmen, Mitgefühl und Unterstützung fehlen. Genau deshalb ist Sankeys Botschaft so wichtig: Frauen dürfen ihre Verletzlichkeit zeigen, und sie müssen in jeder Phase ihres Lebens gesehen und gehört werden.

„Witches“ erinnert uns daran, dass Heilung nicht im Alleinsein passiert. Wie Solidarität und Gemeinschaft die Dinge verändern kann – für Mütter, für Frauen, für alle, die sich mit den Wunden des Lebens auseinandersetzen. Diese Geschichten schenken uns nicht nur Verständnis, es ist die Einladung, füreinander einzustehen.
Immer wenn ich mich tiefer mit weiblichen Geschichten und Perspektiven beschäftige, wird mir bewusst, wie stark Worte, Bilder und Narrative uns prägen. Die Hexe ist für mich inzwischen mehr als eine Figur. Sie ist ein Schlüssel zu uns selbst und zu einer Verbindung, die weit über uns hinausgeht. Sie steht für das, was wir lange übersehen oder verdrängt haben: die Sehnsucht nach Eigenständigkeit, nach Heilung und nach der Freiheit, einfach zu sein.
Begleite mich auf dieser Reise
Deshalb möchte ich dich einladen, mich auf diesem Weg zu begleiten. Lass uns gemeinsam erkunden, welche Geschichten uns berühren. Wesen Perspektiven uns bereichern und wie wir die Welt aus neuen Blickwinkeln betrachten können.
Ein paar Fragen, die uns auf dieser Reise begleiten könnten:
- Welche weiblichen Figuren – ob real oder fiktional – haben dich inspiriert?
- Wo begegnen dir in deinem Alltag Frauen, die sich nicht anpassen, sondern ihre eigene Wahrheit leben?
- Welche Geschichten fehlen dir in Filmen, Büchern und Kunst?
Ich wünsche mir, dass wir nicht nur zuhören, sondern auch miteinander sprechen, teilen und wachsen. Diese Reise soll eine Einladung sein, Raum zu schaffen – für uns selbst und füreinander.
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