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Ehe, die Sims und verlorene Lebenspunkte

Stell dir vor, dein Leben ist wie in die Sims, und jeder Tag beginnt mit einer vollen, leuchtend grünen Leiste Lebenspunkte. Diese Lebenspunkte stehen für deine Energie, deine Kraft, deinen Fokus. Jede Aufgabe, jede Verantwortung, jede Entscheidung kostet dich Lebenspunkte. Manche Herausforderungen kosten nur wenige Punkte, andere zehren richtig an deiner Energie. Und am Ende des Tages sollst du genug Lebenspunkte übrig haben, um dich selbst zu heilen, aufzutanken, und vielleicht sogar ein wenig zu genießen, was dir wirklich Freude macht.

Was passiert mit deinen Lebenspunkten, wenn du in einer Beziehung lebst, die von traditionellen Rollenbildern geprägt ist? In der deine Lebenspunkte nicht nur für deine eigenen Ziele, sondern vor allem für die Bedürfnisse anderer verbraucht werden – und das, ohne dass du es bewusst entscheidest?

Lebenspunkte und patriarchale Strukturen

In einer patriarchal geprägten Ehe sieht die Verteilung der Lebenspunkte oft so aus: Frauen setzen ihre Punkte für Care-Arbeit, Haushalt, emotionale Unterstützung und die Organisation des Familienlebens ein. Sie kümmern sich darum, dass die Beziehung funktioniert, dass die Kinder glücklich sind, dass die Wohnung sauber ist, dass Termine eingehalten werden. Männer hingegen investieren ihre Lebenspunkte oft in ihren Beruf, in ihre Hobbys und in ihre persönliche Entwicklung. Wenn sie Care-Arbeit übernehmen, geschieht das häufig punktuell und in klar abgegrenzten Bereichen.

Am Ende des Tages sieht die Lebenspunkte-Leiste vieler Frauen aus wie die eines Sims: rot, fast leer, kaum noch Energie. Die Lebenspunkte der Männer hingegen sind oft nur leicht gesunken – genug, um sich am Abend noch einer Runde Entspannung oder einem Hobby zu widmen.

Emotionale Arbeit: Sei ein Sims

Ein entscheidender Punkt, der viele Lebenspunkte kostet, ist die unsichtbare, emotionale Arbeit. Frauen sind oft diejenigen, die sich merken, wann die Kinder geimpft werden müssen, welche Freunde ein Geburtstagsgeschenk brauchen, und wie das emotionale Wohlbefinden aller in der Familie aussieht. Sie trösten, sie vermitteln, sie planen – und das alles, ohne dass es als eigenständige Arbeit anerkannt wird.

Diese ständige emotionale Verfügbarkeit ist wie ein Dauerangriff auf deine Lebenspunkte. Sie zehrt an deiner Energie, ohne dass du die Möglichkeit hast, sie bewusst aufzuladen. Und schlimmer noch: Viele Frauen nehmen diese Belastung als selbstverständlich hin, weil sie ihnen von der Gesellschaft als „ihre Aufgabe“ aufgebürdet wird.

Das Gedankenexperiment: Wer hat am Ende des Tages mehr Lebenspunkte?

Nimm dir einen Moment Zeit, um deine eigene Lebenspunkte-Leiste zu betrachten. Überlege dir:

  • Wie viele Lebenspunkte hast du morgens, wenn dein Tag beginnt?
  • Welche Aufgaben kosten dich am meisten Punkte?
  • Wie sieht deine Leiste am Abend aus?

Nun stell dir vor, du vergleichst deine Lebenspunkte-Leiste mit der deines Partners. Wer hat am Ende des Tages mehr Energie übrig? Wer hat mehr Zeit und Kraft, um sich den Dingen zu widmen, die ihm oder ihr Freude machen?

Die ehrliche Antwort auf diese Frage kann ernüchternd sein. Doch sie zeigt dir, wie tief patriarchale Strukturen in dein Leben eingreifen – und dass sie verändert werden können.

Das Spiel ist nicht fair – und das ist das Problem

In einem guten Spiel sind die Herausforderungen so gestaltet, dass sie mit den verfügbaren Lebenspunkten bewältigt werden können. Doch das Leben vieler Frauen fühlt sich oft an wie ein unfairer Bosskampf, bei dem die Anforderungen ständig steigen, ohne dass die Ressourcen angepasst werden.

Patriarchale Strukturen sorgen dafür, dass Männer und Frauen nicht mit denselben Startbedingungen ins Spiel gehen. Die Care-Arbeit der Frauen wird als selbstverständlich betrachtet, während die Leistungen der Männer oft höher gewürdigt und sichtbarer sind. Das System selbst sorgt dafür, dass Frauen ihre Lebenspunkte schneller verlieren – und am Ende leer dastehen.

Wie kannst du deine Lebenspunkte zurückgewinnen?

1. Unsichtbare Arbeit sichtbar machen

Sprich offen darüber, welche Aufgaben dir Lebenspunkte kosten. Zeige deinem Partner, wie viel Energie du in emotionale und organisatorische Arbeit investierst.

2. Fair teilen

In einer guten Partnerschaft sollten beide Spieler:innen ihre Lebenspunkte-Leisten fair einsetzen. Wenn einer von euch ständig am Limit kämpft, während der andere noch Reserven hat, muss die Verteilung angepasst werden.

3. Heiltränke einfordern

Du hast das Recht, Zeit für dich selbst zu nehmen, um deine Lebenspunkte aufzuladen. Ob das durch Hobbys, Ruhephasen oder Unterstützung von außen geschieht, liegt bei dir.

4. Das System hinterfragen

Patriarchale Strukturen zu durchbrechen bedeutet, nicht nur in deiner eigenen Beziehung, sondern auch gesellschaftlich Veränderung einzufordern. Care-Arbeit muss wertgeschätzt werden – emotional, sozial und finanziell.

Das Spiel neu gestalten

Das Gedankenexperiment mit den Lebenspunkten ist eine Einladung, über deine Beziehung, deine Energie und deine Bedürfnisse nachzudenken. Es soll dir zeigen, dass es nicht deine Aufgabe ist, dich selbst für andere auszuspielen, bis du keine Punkte mehr übrig hast. Du bist nicht nur die Unterstützungsfigur im Leben anderer – du bist die Heldin deines eigenen Spiels.

Frage dich: Wie kannst du deine Lebenspunkte schützen? Welche Veränderungen brauchst du, um das Spiel fairer zu gestalten – für dich selbst und für andere Frauen? Denn die wichtigste Regel im Spiel des Lebens lautet: Du bist es wert, dass deine Leiste immer wieder aufgefüllt wird.

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