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Handmaids Tale, Hexenwunden und White Feminismus

Christines Beitrag hat mich mit weiteren Gedanken über unseren Bezug zu Feminismus, Patriarchat, Unterdrückung und die Hexenwunde zurückgelassen.

Der Feminismus, wie wir ihn heute in den westlichen Industrienationen kennen, ist geprägt von Privilegien, die viele von uns kaum wahrnehmen. Wir, die Frauen in den blauen Kleidern – wie die Ehefrauen in Der Report der Magd – leben in einer Gesellschaft, die uns gewisse Freiheiten zugesteht, uns aber subtil kontrolliert und einschränkt. Hier verbirgt sich die tiefere Bedeutung des Begriffs White Feminismus und die jahrhundertealte Wunde, die wir als Hexenwunde bezeichne.

Was hat die Hexenwunde damit zu tun?

Die Hexenwunde bezieht sich auf die jahrhundertelange Unterdrückung von Frauen, die sich außerhalb der patriarchalen Normen bewegten. In der Geschichte wurden Frauen, die als „zu laut“, „zu unabhängig“ oder „zu anders“ galten, als Hexen gebrandmarkt, verfolgt und verbrannt. Diese kollektive Traumatisierung hat sich tief in unser kulturelles Gedächtnis eingebrannt. Es beeinflusst bis heute, wie Frauen ihre Rolle in der Gesellschaft wahrnehmen.

In der modernen Welt manifestiert sich diese Wunde subtiler. Wir fühlen uns vielleicht frei, aber wie die Ehefrauen in Gilead sind wir Teil eines Systems, das uns nicht wirklich dient. Wir passen uns an, um nicht zu auffällig zu sein, um akzeptiert zu werden. Doch diese Anpassung ist nicht gleich Freiheit.

White Feminismus: Eine Bewegung für Wenige?

Der Begriff White Feminismus beschreibt eine feministische Bewegung, die vor allem die Anliegen und Interessen von privilegierten, meist weißen Frauen berücksichtigt. Die Erfahrungen von BIPoC, LGBTQ+ Personen und Frauen aus weniger privilegierten Hintergründen oft übersehen werden. Wenn wir ehrlich sind, müssen wir zugeben, dass viele von uns in westlichen Gesellschaften Teil dieser Problematik sind.

Wir sprechen über Empowerment, über Selbstverwirklichung und über Freiheit, doch oft sind dies nur Schlagworte, die uns Konsum und Wohlstand verkaufen. Frauen in ärmeren Ländern kämpfen um ihre Grundrechte. Während wir uns mit Yoga erholen und davon sprechen, wie wichtig Self-Care ist. Wir denken, wir seien die Kämpferinnen für Gleichberechtigung, während wir doch nur die bequemsten Ketten tragen.

Illusion der Freiheit

Die moderne Konsumkultur hat uns eine falsche Vorstellung von Freiheit verkauft. Wenn wir die richtigen Produkte kaufen, die perfekten Outfits tragen und die neueste Achtsamkeitsroutine verfolgen, dann sind wir frei – so wird uns suggeriert. Doch diese Art von Freiheit bleibt oberflächlich und konsumorientiert. Sie lenkt uns ab von den tieferen Ungerechtigkeiten, die viele Frauen weiterhin unterdrücken.

Wie die Ehefrauen in Der Report der Magd leben wir in einer Art goldenem Käfig. Wir genießen Privilegien, aber wir sind auch gefangen in den Erwartungen und Normen, die uns subtil auferlegt werden. Wir streben danach, die perfekte Balance zwischen Karriere, Familie und Selbstverwirklichung zu finden. Dabei merken wir nicht, dass uns dies letztlich daran hindert, echte Veränderungen voranzutreiben.

Unsere Verantwortung als Privilegierte

Als jüdisch-nigerianische Frau in Deutschland – einem der reichsten und sichersten Länder der Welt – muss ich mich anzeigen. Es ist unsere Pflicht, unseren Feminismus zu hinterfragen und ihn zu erweitern. Es reicht nicht, sich für die Rechte der Frauen einzusetzen, die uns ähnlich sind. Wir müssen uns auch für jene Frauen stark machen, die nicht dieselben Privilegien genießen wie wir. Das bedeutet, dass wir unsere Komfortzone verlassen und unsere eigenen Privilegien kritisch hinterfragen müssen.

White Feminismus wird oft dafür kritisiert, dass er die Erfahrungen marginalisierter Gruppen ignoriert. Wenn wir wirklich feministisch handeln wollen, müssen wir uns auch mit den Kämpfen auseinandersetzen, die außerhalb unserer eigenen Lebensrealität stattfinden. Der Kampf um Gleichberechtigung darf nicht an den Grenzen unserer Komfortzone aufhören.

Heilung der Hexenwunde

Um die Hexenwunde zu heilen, müssen wir den Mut finden, uns selbst und unsere eigenen Überzeugungen infrage zu stellen. Wir müssen uns die Frage stellen, inwieweit wir uns an patriarchale Strukturen angepasst haben und wie wir Teil eines Systems sind, das andere Frauen weiterhin unterdrückt.

Heilung bedeutet, die Stimmen derjenigen zu hören, die unterdrückt werden, und ihre Geschichten zu verstehen. Es bedeutet, unseren Feminismus intersektional zu gestalten und uns nicht mit oberflächlichen Maßnahmen zufrieden zu geben. Wir müssen die patriarchalen Strukturen, die uns selbst noch beeinflussen und aufbrechen. Frauen weltweit benötigen unsere Unterstützung, die unter viel härteren Bedingungen leben.

Von Selbstreflexion zur echten Veränderung

Die Hexenwunde erinnert uns daran, dass der Kampf für Gleichberechtigung noch lange nicht vorbei ist. Es reicht nicht, uns selbst zu befreien, wenn wir andere Frauen zurücklassen. Die Heilung beginnt damit, dass wir uns bewusst werden, welche Privilegien wir genießen und wie wir diese nutzen können, um echte Veränderungen zu bewirken.

Es ist Zeit, die blauen Kleider abzulegen, die uns suggerieren, dass wir frei sind. Wir müssen erkennen, dass echter Feminismus nicht darin besteht, nur für uns selbst zu kämpfen, sondern auch für die, die keine Stimme haben. Der Weg zur Heilung der Hexenwunde beginnt bei uns selbst – und erfordert Mut, Ehrlichkeit und die Bereitschaft, unsere Komfortzone zu verlassen.

Lies mehr darüber Was Der Report der Magd uns über moderne Gesellschaften lehrt

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