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How to Patriarchat

“Patriarchat bedeutet wörtlich ‘Herrschaft des Vaters’. Es ist das älteste System der sozialen Hierarchie.”

Gerda Lerner, Historikerin und Autorin von ‘The Creation of Patriarchy

Heute möchte ich einen Gedanken mit euch teilen, der mich schon lange beschäftigt. Es geht um die subtilen, tief in uns verwurzelten Strukturen, die unser Denken und Handeln beeinflussen. Strukturen, die wir oft nicht einmal bewusst wahrnehmen, weil sie uns seit unserer Kindheit eingetrichtert wurden. Diese Strukturen diktieren uns, wie wir uns als Frauen zu verhalten haben, wie wir auszusehen haben, was wir zu denken haben. Und sie gehen weit über die Oberfläche hinaus. Sie kriechen in unsere Psyche, weben sich ein in unsere Selbstwahrnehmung, unsere Beziehungen und unsere Lebensentscheidungen.

Aber warum ist das so? Und noch viel wichtiger: Wem nützt das? Ich habe mich in diesen Fragen verloren, weil ich tief in meinem Inneren spüre, dass hier etwas grundlegend falsch läuft.

Die unsichtbaren Ketten, die uns binden

Von klein auf lernen wir, uns anzupassen. Wir sollen lieb und brav sein, die Erwartungen der anderen erfüllen, nicht zu laut, nicht zu frech, nicht zu selbstbewusst. Diese gesellschaftlichen Normen sind wie eine unsichtbare Hand, die uns sanft, aber unnachgiebig in die Richtung schiebt, die uns zugedacht ist. Wer sich dagegen auflehnt, spürt schnell die Konsequenzen: Ablehnung, Kritik, Isolation – Patriarchat.

Doch was viele nicht verstehen: Diese Normen, die uns in enge Rollen zwängen, sind nicht einfach nur „Tradition“ oder „Kultur“. Sie sind Werkzeuge des Patriarchat, die dazu dienen, Macht zu erhalten. Sie dienen dazu, uns klein zu halten, uns zu kontrollieren. Denn wenn wir ständig damit beschäftigt sind, uns selbst zu optimieren, um den Erwartungen zu entsprechen, dann bleibt uns keine Energie, um aufzubegehren.

Die subtilen Vorteile für Männer

Was ich lange nicht verstanden habe, ist die Frage: Warum? Warum bleibt dieses System bestehen?

Der Begriff Patriarchat stammt vom griechischen Wort patriarchēs ab, was „Vaterherrschaft“ bedeutet. Er setzt sich aus den Wörtern patēr (Vater) und archē (Herrschaft) zusammen. Diese Ursprünge verdeutlichen bereits, wie tief die Idee der männlichen Dominanz in unsere Gesellschaft eingebettet ist.

Und dann wurde mir klar, dass Männer – oft auch unbewusst – enorm davon profitieren. Auf persönlicher Ebene gibt ihnen das patriarchale System Macht und Kontrolle in Beziehungen. Männer müssen sich nicht mit den gleichen Selbstzweifeln herumschlagen wie wir, weil ihnen von klein auf gesagt wird, dass sie wertvoll sind, dass ihre Meinung zählt.

Männer genießen auch eine Art emotionale Entlastung. Denn wer übernimmt die emotionale Arbeit? Wer kümmert sich um die Bedürfnisse der anderen, wer hört zu, wer sorgt dafür, dass alles läuft? Wir Frauen. Und wenn wir immer damit beschäftigt sind, für andere zu sorgen, bleibt uns kaum Raum, um über unsere eigenen Bedürfnisse nachzudenken.

Kollektive Netzwerke und die „Brüderlichkeit“

Noch tiefer geht das Ganze, wenn wir es auf die kollektive Ebene heben. Männer halten zusammen, sie unterstützen sich gegenseitig, oft ohne darüber nachzudenken. In der Berufswelt sieht man das ständig: Männer fördern Männer. Ein männlicher Kollege bekommt die Beförderung, die Gehaltserhöhung, die Anerkennung. Frauen hingegen müssen sich beweisen, sich doppelt so anstrengen und dürfen dabei bloß nicht zu fordernd wirken. Denn wenn wir Frauen zu laut, zu ambitioniert sind, werden wir schnell als „schwierig“ oder „überheblich“ abgestempelt.

Es ist eine stille, unausgesprochene Übereinkunft, die sich durch alle Bereiche unserer Gesellschaft zieht. Macht bleibt in den Händen derer, die sie schon immer hatten. Männer haben gelernt, dass sie an der Spitze stehen und dass das „normal“ ist. Und wer etwas als normal empfindet, sieht keinen Grund, es zu hinterfragen.

Auf systemischer Ebene: Warum sich nichts ändert

Und dann kommt die systemische Ebene, die fast wie ein gut geöltes Uhrwerk funktioniert. Unsere Gesetze, unsere politischen Systeme, unsere Medien – alles ist darauf ausgelegt, die Machtverhältnisse zu wahren. Die meisten Gesetze wurden von Männern gemacht, für Männer. Es ist kein Zufall, dass Frauen in Führungspositionen oder in der Politik immer noch selten sind. Das System ist so gestaltet, dass Männer profitieren.

Und das Schlimmste? Viele Männer erkennen nicht einmal, dass sie von diesem System profitieren, weil sie es für „normal“ halten. Sie merken gar nicht, dass sie in einem Spiel mitspielen, das von Anfang an zu ihren Gunsten manipuliert wurde. Und wenn wir als Frauen dann Forderungen nach Gleichberechtigung stellen, fühlen sie sich bedroht. Denn wenn wir gleiche Rechte fordern, bedeutet das für sie, dass sie Privilegien verlieren. Und niemand gibt gerne Macht ab, selbst wenn es nur um Fairness geht.

Wie geht es weiter?

Die Frage, die ich mir immer wieder stelle: Wie brechen wir aus diesem Teufelskreis aus? Wie schaffen wir es, dass wir als Frauen nicht länger in diesen Rollen gefangen bleiben? Wie können wir uns von den Erwartungen befreien, die uns ein Leben lang auferlegt wurden?

Ich habe keine einfache Antwort darauf. Aber was ich weiß, ist, dass wir beginnen müssen, die unsichtbaren Fäden zu erkennen, die uns binden. Wir müssen aufhören, uns selbst klein zu machen, nur weil es bequemer für die Männerwelt ist. Wir müssen laut werden, unbequem, fordernd. Denn niemand wird uns diese Freiheit schenken. Wir müssen sie uns nehmen.

Und ja, das bedeutet, dass wir anecken werden. Dass wir Menschen verlieren werden, die nicht damit umgehen können, dass wir nicht länger bereit sind, uns anzupassen. Aber das ist okay. Denn am Ende des Tages ist das Wichtigste, dass wir uns selbst treu bleiben und dass wir ein Leben führen, das uns erfüllt – nicht ein Leben, das anderen dient.

Wir sind mehr als die Erwartungen, die andere an uns stellen. Wir sind mehr als die Rollen, in die wir gezwängt werden. Und wenn wir das erkennen, wenn wir beginnen, diese Machtstrukturen zu hinterfragen, dann haben wir schon den ersten Schritt gemacht.

Ich weiß nicht, wohin dieser Weg uns führen wird. Aber ich weiß, dass wir ihn gemeinsam gehen müssen. Und dass wir stark genug sind, das System zu verändern – für uns, für unsere Töchter, für all die Frauen, die noch kommen werden.

Mit Grüßen an das Patriarchat

Sarah

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