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Feminismus denken: Für Alle und für echte Gerechtigkeit

Ich frage mich immer wieder, wie Feminismus in unserer Gesellschaft funktioniert – und entdecke Widersprüche, die ich in mir selbst spüre, je länger ich darüber nachdenke. Oft präsentiert sich Feminismus in einer weißen, privilegierten Version. Dieser „weiße Feminismus“ verspricht universelle Lösungen. Doch wo bleibe ich in diesem Konzept? Passt meine Geschichte überhaupt hinein? Repräsentiert dieser Feminismus mich, eine Frau mit nigerianischen und osteuropäischen Wurzeln, die sich ihren Weg durch eine Welt voller Barrieren erkämpft?

Ich bin in Deutschland geboren und im Pflegesystem und später im Kinderheim aufgewachsen. Mit 22 Jahren wurde ich alleinerziehende Mutter, war bis 31 allein für mein Kind verantwortlich und begann mit 24, in der Sexarbeit zu arbeiten, um uns zu versorgen. Meine Geschichte folgt nicht den klassischen „Erfolgsgeschichten“, die der weiße Feminismus erzählt. Stattdessen zeigt sie Resilienz und Selbstermächtigung abseits der gewohnten Narrative. Solche Geschichten wie meine fehlen in einem Feminismus, der von weißen, privilegierten Frauen dominiert wird. Er lässt wenig Platz für komplexe Lebenswege.

Weißer Feminismus: Wenn Vielfalt unsichtbar bleibt

Weißer Feminismus strebt Ziele wie berufliche Gleichberechtigung, Schutz vor Gewalt und Selbstbestimmung an – Ziele, die wichtig sind, aber oft den Blick für die Erfahrungen von Frauen wie mir verlieren. Diese Perspektive geht davon aus, dass alle Frauen ähnliche Chancen und Hindernisse haben. Aber das stimmt nicht. Ich lebe als Frau mit nigerianischen Wurzeln und osteuropäischer Abstammung nicht nur mit Sexismus, sondern auch mit Rassismus, der tief in unsere Strukturen eingebettet ist. Mein Alltag verlangt, verschiedene Identitäten zu vereinen, die im weißen Feminismus selten Beachtung finden.

Warum sprechen wir so selten darüber, wie tief Rassismus das Leben von Frauen beeinflusst? Ich habe mir das Wissen und die Perspektiven angeeignet, um für mich einzustehen. Aber viele Frauen haben diese Ressourcen nicht. Themen wie systemischer Rassismus, strukturelle Ungleichheit und die Stigmatisierung meiner Herkunft und meines Lebenswegs tauchen im weißen Feminismus kaum auf. Für wen wird dieser Feminismus gemacht, wenn er die Realitäten vieler Frauen ignoriert?

Es gibt eine Unsichtbarkeit, die mein Leben überlagert, als hätte es keinen Platz in der feministischen Bewegung. Wer möchte von der Geschichte einer Frau hören, die in die Sexarbeit ging, um für ihr Kind zu sorgen? Wer will von den Hürden hören, die nicht glorreich und „empowernd“ erscheinen, sondern schlicht und brutal das Leben formen? Oft scheint meine Geschichte eine Last, die ich allein tragen muss, weil sie nicht in die gängigen feministischen Narrative passt.

Das „Empowerment“-Problem

Weiße feministische Erzählungen sprechen oft von „Empowerment“. Aber was bedeutet dieses Empowerment für Frauen wie mich? Ich habe keine Netzwerke und keine festen Unterstützungsstrukturen, auf die ich mich verlassen kann. Die gängigen Erfolgstipps setzen Ressourcen, Zeit und Sicherheit voraus – Dinge, die viele Frauen nicht zur Verfügung haben. Diese Erzählungen erzeugen statt Ermächtigung oft Frustration und das Gefühl, Erwartungen nicht erfüllen zu können.

Dieser Feminismus setzt auf Individualismus statt Solidarität, Karriere statt Sicherheit, Leistung statt Menschlichkeit. Doch Frauen wie ich – Frauen mit Erfahrungen von Armut, Ausgrenzung und Kampf – brauchen Empowerment, das anders aussieht. Es geht um Gemeinschaft, um das Recht, Fehler zu machen, ohne verurteilt zu werden. Echtes Empowerment ist der tägliche Kampf um Würde, Sichtbarkeit und das Recht auf ein Leben, das wertgeschätzt wird, unabhängig von vermeintlichen „Erfolgen“.

Der Wunsch nach echter Solidarität und Inklusion

Ich wünsche mir einen Feminismus, der zuhört. Einen Feminismus, der Raum für Geschichten schafft, die von Frauen erzählt werden, deren Leben nicht in die klassischen Erfolgserzählungen passen. Einen Feminismus, der keine starren Vorgaben schafft, sondern die Unterschiede in Herkunft, Klasse, Hautfarbe und Lebensweg wirklich einbezieht. Für mich ist Intersektionalität keine Theorie, sondern Realität. Ich brauche einen Feminismus, der diese Realität anerkennt und sich gegen jede Form der Diskriminierung wehrt.

Meine Geschichte mag unbequem erscheinen, doch ein Feminismus, der nur die Bedürfnisse und Perspektiven privilegierter Frauen in den Mittelpunkt stellt, wird niemals die Vision einer gerechten Welt für alle verkörpern. Wenn wir Gleichberechtigung anstreben, dann nur, indem wir jede Stimme hören und jeden Kampf sichtbar machen. Ein Feminismus, der nicht alle Frauen in den Mittelpunkt stellt, wird uns am Ende nicht befreien können.

Netzwerke für Frauen mit intersektionalen Erfahrungen: blackfeministmovement.de

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