Es ist 02:32 in der Nacht und ich schreibe. Ich schreibe immer und es gibt wohl kaum etwas für das ich keine Worte finde – so scheint es mir jedenfalls. Doch genau dort, wo Sprache versagt, beginnt ihre Magie. Schreiben ist mein heiliges Ritual. Mein Weg, die eigenen Schatten zu zähmen, sie zu sehen und zu benennen. Nicht nur das Festhalten von Gedanken, sondern eine Flucht in die Freiheit, eine Brücke von der Dunkelheit ins Licht. Worte tragen, was zu schwer ist, allein zu tragen. Sie heilen das, was zerrissen scheint.
Schreiben heilt, was Worte nicht sagen können
Schreiben gibt mir die Macht zurück, die mir der Schmerz genommen hat. Es zwingt mich, hinzusehen, wo ich sonst weggeschaut habe. Jeder Satz wird ein Pinselstrich, der das Verborgene auf die Leinwand des Papiers bringt. Hier entstehen keine Meisterwerke – hier entstehen Wahrheiten.
Wenn meine Gedanken wie ein Sturm toben, bietet das Schreiben Zuflucht. Ein leeres Blatt ist nicht leer – es wird unendlich, bereit, alles zu tragen, was mich lähmt. Indem ich den Tumult in mir niederlegen, befreie ich mich. Satz für Satz entsteht eine Landkarte meiner Seele, ein Weg, der aus dem Dickicht führt. Auf Papier darf ich alles sein: Wütend, verzweifelt, kindlich, verletzlich. Niemand urteilt, niemand unterbricht. Mein Stift wird zum Schlüssel, der die verschlossenen Türen öffnet, hinter denen Schreie, Tränen und unausgesprochene Worte gefangen sind.
Indem ich meine Geschichte erzähle, löse ich mich von ihr. Ich bleiben nicht länger nur die, die leidet – ich werde zur Verfasserin meiner eigenen Geschichte. Schreiben verleiht mir die Perspektive, die ich inmitten des Schmerzes nicht hatten. Aus Wunden werden Worte, aus Worten werden Wege. Und andere wiederum finden ihren Weg nie in diese Welt. Sie bleiben verschluckt, erdrückt und unsichtbar.

Ich schreibe nun seit 10 Jahren öffentlich. Ich zwinge mich nicht mehr, perfekt zu sein. Ich schreibe roh, schreibe ehrlich, schreibe unzensiert. Was in mir lebt, darf hinaus, ohne dass ich es verschönern muss. Ich beginne, ohne nachzudenken – und staune, was entsteht. Ich bin nicht mehr nur das Opfer meiner Vergangenheit oder die Summe meiner Erlebnisse. Ich bin die Erzählerin. Und ich gebe mir eine Geschichte, die Heilung findet, einen Sinn, der tröstet. Ich schreibe mich aus dem Schmerz heraus.
Manchmal sagen tiefgründige Metaphern mehr als Fakten. Ich male mit meinen Worten, tanze mit meinen Sätzen. Lass meinen Schmerz zu Texten werden, zu einer Geschichte, die lebt, aber nicht länger verletzt. Schreiben heilt dadurch nicht nur mich alleine. Es kann andere berühren, ermutigen, retten. Indem ich diese Worte mit der Welt teile, meine Maske fallen lasse, schaffe ich einen Raum, in dem sich Menschen wiederfinden. Vielleicht kann ich das Licht sein, das jemandem den Weg aus der Dunkelheit weist.
Es bricht die Mauern, hinter denen ich mich verstecke. Es schließt die Wunden, die offen klaffen. Worte sind mehr als Tinte und Papier. Sie sind Seelenarbeit, ein Schrei, eine Umarmung, ein Versprechen: Ich bin nicht gebrochen. Ich bin ein Mosaik. Ich nehme meinen Stift. Beginne. Erzähle mir selbst, was ich hören muss. Ich erfinde mich neu, Satz für Satz, Wort für Wort. Ich schreibe, bis ich fühle, dass meine Wunden nicht länger herrschen – sondern heilen.